Langzeitstillen – Vorteile & Vorurteile
In den letzten Jahrzehnten hat das Bewusstsein rund um die Vorteile des Stillens wieder stark zugenommen. Mehr als 80 Prozent der Mütter möchten ihr Kind stillen. Die empfohlene Stillzeit von mindestens sechs Monaten erreichen etwa die Hälfte, über das erste Lebensjahr hinaus stillen nur wenige. Dabei ist Langzeitstillen für Ihr Kind ein ausgezeichneter Start ins Leben.

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11.12.2024

Was und wie lange ist Langzeitstillen?
Es gibt keine feste Definition für den Begriff „Langzeitstillen“. Was wir als „lang“ betrachten, hängt vom Blickwinkel ab.
Anthropologisch betrachtet hat der Mensch eine artspezifische Stilldauer von 2,5 bis 7 Jahren. Sprich, rein biologisch müssten wir unsere Kinder viel länger stillen als heute üblich. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass unsere Vorfahren ihre Kinder etwa zwei bis drei Jahre gestillt haben. Abgestillt wurde meist, wenn das nächste Kind unterwegs war, wobei auch Tandemstillen praktiziert wurde, wenn zwei Kinder kurz nacheinander zur Welt kamen.
Geändert hat sich das Stillverhalten erst mit der Einführung von Milchersatznahrung. Sie gab den Müttern die Freiheit, frühzeitig abzustillen.
Druck der Gesellschaft
Der Druck der Gesellschaft gilt heute als einer der treibenden Faktoren für das Abstillen. Kommentare wie „Ach, du stillst immer noch?“ führen zu Verunsicherung und zur Frage, ob Stillen über sechs Monate hinaus gesund und richtig ist.
Eine Triebfeder dieser Entwicklung ist, dass die Brust oft in Verbindung mit einem sexuellen Reiz gebracht und auf das Langzeitstillen übertragen wird. Dadurch entsteht ein direkter und indirekter Druck auf stillende Frauen, „rechtzeitig“ abzustillen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dieser Druck absolut unnötig.
Empfehlung der Ernährungskommission
Muttermilch hat die optimale Zusammensetzung und versorgt ein Baby mit allem, was es braucht. Weltgesundheitsorganisation, Österreichische Ernährungskommission und Hebammen empfehlen eine ausschließliche Ernährung durch Stillen wenn möglich bis zum 6. Lebensmonat. Erst dann sollte Schritt für Schritt eine Mahlzeit nach der nächsten mit Beikost oder – beim Baby Led Weaning – Mahlzeiten vom Familientisch ersetzt werden.
Parallel dazu können und sollten Sie Ihr Baby den Experten und Expertinnen zufolge noch bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr weiterstillen. Viele Hebammen sprechen ab dem ersten Geburtstag vom Langzeitstillen.
Gesundheitliche Vorteile
Das ausschließliche Stillen bis zum vollendeten 6. Lebensmonat und ergänzende Stillen bis zum zweiten Geburtstag ist gesund – für Mutter und Kind. Umfassende Studien belegen die Vorteile.
Für die Mutter
Dauert die Stillbeziehung zwölf Monate und länger, so kann dies das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs bei der Mutter deutlich senken. Gleiches kann für das mütterliche Risiko, an Diabetes Typ II zu erkranken, gelten.
Für das Kind
Kinder, die länger als sechs Monate gestillt wurden, können seltener an Allergien und Infektionen leiden. Außerdem kann ein geringeres Risiko, Übergewicht, Tumorerkrankungen, Diabetes oder andere chronische Erkrankungen zu bekommen bestehen.
Dazu kommt eine potenzielle bessere psychische Entwicklung bei länger gestillten Kindern. Die körperliche Nähe beim Stillen und der intensive Augenkontakt vermitteln dem Kind Sicherheit und Geborgenheit. Es könnte somit selbstbewusster und unabhängiger heranwachsen.
Nachteile & Vorurteile
Keine wissenschaftliche Studie konnte Nachteile des Langzeitstillens belegen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine lange Stilldauer die Beziehung zwischen Mutter und Kind negativ beeinflusst. Der gesellschaftliche Druck basiert rein auf Vorurteilen, nicht auf echten Nachteilen.
Warum sollte man nicht so lange stillen?
Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Grund, auf das Langzeitstillen zu verzichten. Wichtig ist aber, dass sich Mutter und Kind mit dem Stillen wohlfühlen. Wer nur noch aus Pflichtgefühl stillt oder sich dabei unwohl fühlt, sollte über das Abstillen nachdenken.
Nachteile“ nur für die Mutter
Echte Nachteile hat das Langzeitstillen nur für die Mütter. Sie sind stärker gebunden und haben weniger Zeit für sich selbst oder den Job. Dazu kommt die Abstinenz von gewissen Lebensmitteln, Genussmitteln und Medikamenten. Gerade letzteres kann ein Grund für frühzeitiges Abstillen sein.
Abstillen – der richtige Zeitpunkt
Im besten Fall folgen Sie der Empfehlung der Stillkommission, WHO und Hebammen und stillen für sechs Monate ausschließlich. Mit der Einführung der Beikost oder der Familienmahlzeiten beim Baby Led Weaning beginnt der Anteil der benötigten Muttermilch langsam zu sinken und Sie können Stillmahlzeiten auslassen.
Dieses langsame Abstillen über Monate hinweg ermöglicht es Ihrer Brust, die Milchproduktion Stück für Stück zu reduzieren, was Komplikationen wie Brustentzündungen oder Milchstau verhindert. Zugleich lernen Mutter und Kind sich ein wenig mehr voneinander „abzunabeln“.
Ist es schlimm, nur drei Monate zu stillen?
Jeder Tag des Stillens ist gut für Ihr Kind. Wenn Sie nach drei Monaten den Wunsch verspüren, abzustillen, dann suchen Sie am besten das Gespräch mit Ihrer Hebamme. Sollte Ihr Wunsch nur aus Unsicherheit rund um eine natürliche Stillbeziehung entstanden sein, kann Ihre Hebamme diese Zweifel sicher zerstreuen. Bleibt Ihr Entschluss bestehen, so können Sie Ihr Baby mit dem Fläschchen ernähren und trotzdem noch regelmäßig die intensive gemeinsame Kuschelzeit genießen, die so wichtig für die psychische Entwicklung Ihres Kindes ist.